Bevor Sie mit den Medien reden, reden Sie mit uns. Oder lesen Sie den Text.

Wissenswertes über den Umgang mit Medien

(Angepasst für die Schweiz aus: Anne Seymour und Bonnie Bucqueroux. (2009). “A Media Guide for Victim Service Providers.” Washington, DC, USA: Justice Solutions

  • Sie haben immer die Wahl, ob Sie mit den Medien sprechen wollen oder nicht. Wenn Sie sich dafür entscheiden, mit den Medien zu sprechen, ist es wichtig zu verstehen, dass Sie wenig Kontrolle darüber haben, was tatsächlich berichtet wird und wie es der Öffentlichkeit präsentiert wird.
  • Sprechen Sie niemals " inoffiziell". Alles, was Sie während eines Interviews sagen, wird festgehalten. Nehmen Sie sich Zeit, um sich auf ein Gespräch vorzubereiten und erwägen Sie, eine Unterstützungsperson bei sich zu haben. Vielleicht möchten Sie auch eine Person bestimmen, die gegenüber der Medien als Sprecherin auftritt und konsistente Botschaften übermittelt.
  • Wenn eine polizeiliche Untersuchung oder ein Strafverfahren läuft, kann die Berichterstattung in den Medien diesen Prozess beeinflussen und sich möglicherweise auf den Strafprozess auswirken. Deshalb ist es wichtig, dass Sie vorgängig mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder Ihrer Anwältin / Ihrem Anwalt besprechen, was Sie in einem Gespräch mit den Medien sagen können und was nicht.
  • Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie in den sozialen Medien veröffentlichen, da Journalistinnen / Journalisten diese Informationen suchen und veröffentlichen können.
  • Ihre Privatsphäre ist möglicherweise schwer zu schützen. Sie müssen damit rechnen, dass die Medien über Einzelheiten Ihres Falles berichten, auch wenn in Ihrem Fall ein Publikationsverbot besteht.
  • Das Medieninteresse und die Berichterstattung sind von Fall zu Fall unterschiedlich gross und hängen davon ab, ob eine Story als "nachrichtenwürdig"; angesehen wird, sowie von anderen Nachrichten, die zu diesem Zeitpunkt um die Berichterstattung konkurrieren.
  • Der Ton der Medienberichterstattung kann sich jederzeit ändern. Beispielsweise können die Medien ein Opfer zunächst in einem positiven Licht darstellen und dieses dann plötzlich ins Negative kippen lassen.
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Wie funktionieren Medien

Dieser Leitfaden soll Opfern und Angehörigen von Straften helfen, die Entscheidung zu treffen, ob sie mit den Medien zusammenarbeiten wollen oder dies ablehnen. Zu wissen, wie Medien funktionieren, kann Ihnen eventuell bei der Entscheidung helfen.
Wenn Sie betroffen von einer schweren Straftat sind, möchten die Medien Sie vielleicht interviewen. Betroffen von einer Straftat zu sein, heisst nicht, dass Sie Ihr Recht auf Privatsphäre aufgeben müssen. Opfer und Angehörige, die nicht mit den Medien sprechen möchten, können dies jederzeit ablehnen. Opfer und Angehörigen, die sich dazu entschliessen, ihre Geschichte öffentlich zu erzählen, soll dieser Leitfaden dabei helfen, sich auf den Umgang mit verschiedenen Medien vorzubereiten. Eine gute Vorbereitung im Vorfeld kann dazu beitragen, sich sicherer zu fühlen.

 

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Es eilt immer

Medien wollen sofort Informationen

  • Auch wenn die Betroffenen unter Schock stehen oder hochgradig traumatisiert sind, wollen die Medien Antworten auf ihre Fragen, und sie wollen nicht warten.
  • Die Medien wollen über die Fakten des Falles berichten, und dies gilt insbesondere in Fällen, die große Aufmerksamkeit erregen oder in denen ein Verdächtiger noch nicht gefunden oder verhaftet wurde.
  • Schnelligkeit der Berichterstattung: Journalistinnen und Journalisten möchten ihre Story so schnell wie möglich einreichen/ausstrahlen. Das kann auch dazu führen, dass bei der Überprüfung der Fakten weniger Sorgfalt angewendet wird. Die Berichterstattung erfolgt häufig live, insbesondere über soziale Medien, und kann sogar vom Tatort aus erfolgen.
  • Die Medien können jederzeit, auch nach Abschluss des Prozesses, über ein Verbrechen, die Ermittlungen und das Strafverfahren berichten. Ihre Berichte können die Opfer Monate und Jahre später überraschen.
  • Obwohl die meisten Journalisten und Journalistinnen versuchen, Respekt zu zeigen, sollten Sie bedenken, dass die Medienvertreter nur über eine geringe formale Ausbildung im Hinblick auf einen sensiblen Umgang mit Betroffenen verfügen. Und es gibt leider immer wieder Journalisten und Journalistinnen, denen der nötige Respekt fehlt.
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Was ist wichtig für die Medien

  • Nachrichtenwert: Je mehr Betroffene, desto höher ist der Nachrichtenwert:Oftmals unternehmen Medienschaffende umfangreiche Anstrengungen, um Interviews durchzuführen und Aussagen von Opfern zu sammeln.
  • Arten von Straftaten: Gewaltverbrechen, Straftaten mit hohem Bekanntheitsgrad und sexualisierte Straftaten sind für die Medien interessanter. Verbrechen, die von Fremden begangen werden, finden mehr Beachtung als Verbrechen, die von Personen begangen werden, die dem Opfer bekannt sind.
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Was müssen Sie erwarten

  • Privatsphäre I: Es kann schwer sein, die Privatsphäre zu schützen. Vor allem bei Fällen, in denen es fast unmöglich ist, sich der Medienberichterstattung zu entziehen.
  • Aggressive Medienschaffende: Aggressive oder unsensible Reporterinnen und Reporter können die Möglichkeit der Betroffenen beeinträchtigen, in Würde zu trauern, und die Privatsphäre aller Beteiligten beeinträchtigen.
  • Emotionen: Die Medien sind an emotionalen Geschichten interessiert. Für Betroffene kann es sehr schwierig sein, vor den Medien ruhig zu bleiben und nicht mehr Emotionen zu zeigen, als Ihnen lieb ist. Tipp: Ernennen Sie bei Bedarf eine Person, die als Sprecherin für Sie mit den Medien spricht. Sie können dadurch Tränen, Trauer, Wut oder Ausbrüche im Umgang mit den Medien vermeiden.
  • Live-Berichte: Die Medien können Live-Berichte vom Tatort, von einer Gedenkfeier, einer Beerdigung oder vom Prozess über soziale Medien bringen. Sie werden dabei verschiedene Medien wie Video, Audio, Bilder oder Livestreams nutzen, um Informationen über die Straftat zu vermitteln.
  • Privatsphäre II: Journalistinnen und Journalisten können sehr aufdringlich sein und in heiklen Momenten wie Beerdigungen, Gerichtsverhandlungen, Verurteilungen und Jahrestagen Interviews verlangen. Zu diesen Zeiten fühlen Sie sich vielleicht verwirrt, verletzlich und unfähig, öffentlich zu sprechen. Die Medien graben oft nach Informationen, einschließlich der Suche in der Vergangenheit einer Person, um Informationen aufzudecken, die in einen Nachrichtenbeitrag einfließen sollen. Sie müssen damit rechnen, dass alle persönlichen Informationen, die entdeckt werden, veröffentlicht werden könnten.
  • Film und Fotografie: Medienschaffende werden versuchen, Video- und Fotoaufnahmen zu machen. Sie können dies beharrlich und zu ungeeigneten Zeiten ohne Ihr Wissen oder Ihre Zustimmung tun. Die Medien benötigen nicht Ihre Erlaubnis, um Fotos von Ihnen am Tatort, bei einer Beerdigung, von Social-Media-Seiten usw. zu verwenden.
  • Falsche Informationen: In Fällen, in denen nur wenige Informationen zur Verfügung stehen, können die Medien spekulieren, um eine interessantere oder berichtenswertere Geschichte zu schaffen. Dies kann sich negativ auf die Glaubwürdigkeit des Opfers auswirken und Schamgefühle verstärken.
  • Zu viele Details: Geliebte Menschen können über verschiedene Medien verheerende und verletzende Informationen über das Opfer, die Straftat und Details zu der erlebten Gewalt erfahren.
  • Andeutungen: In einigen Fällen versuchen die Medien das Opfer für das Geschehene (mit-)verantwortlich zu machen durch die Art und Weise, wie über eine Geschichte berichtet wird. Dies kann das Mitgefühl der Leserschaft beeinflussen. Obwohl die Medien nicht absichtlich falsche Informationen drucken, ist das, was sie schreiben, vielleicht nicht die Wahrheit, so wie Sie sie sehen.
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Ihre Entscheidung

Überlegungen für eine Entscheidung

  • Es kann schwierig sein, sich zu entscheiden, ob Sie mit den Medien sprechen wollen oder nicht. Sowohl positive als auch negative Auswirkungen der Berichterstattung sind möglich.
  • Sie haben wenig Kontrolle darüber, welche Details die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen. Ausserdem kann zu jedem Zeitpunkt die Berichterstattung von positiven zu negativen Ton umschlagen. Aus diesem Grund sollten Sie bei dem, was Sie den Medien mitteilen, immer Vorsicht walten lassen.
  • Auch wenn die von Ihnen veröffentlichten Informationen unter Ihrer Kontrolle sind, müssen Sie sich bewusst sein, dass Journalistinnen und Journalisten Informationen über Sie oder Ihre Angehörigen aus anderen Quellen erhalten können.
  • Denken Sie daran, dass Sie nicht mit den Medien sprechen müssen, auch wenn diese sehr hartnäckig sind. Solange Sie sich noch in einem Zustand des Schocks befinden oder sich verwirrt und verzweifelt fühlen, ist es eher ratsam, das Gespräch mit den Medien zu vermeiden.
  • Ernennen Sie bei Bedarf eine Person, die als Sprecherin für Sie mit den Medien spricht. Sie können dadurch Tränen, Trauer, Wut oder Ausbrüche im Umgang mit den Medien vermeiden.
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Vorteile einer Zusammenarbeit mit den Medien

Mögliche Vorteile einer Veröffentlichung Ihrer Geschichte in den Medien

  • Bewusstsein für Opfer von Straftaten: Berichterstattungen über einzelne Opfer kann anderen Menschen helfen zu verstehen, was mit Verbrechensopfern geschieht und wie sich Gewalt auf sie und ihre Angehörigen auswirkt. Sie können zukünftigen Betroffenen helfen, mit bestimmten Belastungen und Ängsten fertig zu werden.
  • Ihre Seite der Geschichte: Oftmals konzentrieren sich die Medien auf die angeklagte Person, die Täterin oder den Täter. Durch das Erzählen Ihrer Geschichte teilen Sie die Perspektiven des Verbrechensopfers mit.
  • Ermutigung: Ihre Umstände und das, was Sie der Öffentlichkeit preisgeben, können andere dazu ermutigen, Straftaten anzuzeigen und/oder Unterstützung zu suchen.
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Nachteile einer Zusammenarbeit mit den Medien

Mögliche Risiken, sich in den Medien zu äussern

  • Verstärkung des Traumas: Für manche Opfer kann das öffentliche Reden über das, was ihnen passiert ist, das Trauma des Erlebten verstärken. Es braucht Zeit, bis man sich wieder stabiler fühlt, ganz zu schweigen von der Bewältigung laufender polizeilicher Ermittlungen, Gerichtsverfahren und aufdringlicher Medien.
  • Unsensible Berichterstattung:Ähnliches kann geschehen, wenn die Berichterstattung unsensibel, ungenau oder sensationslüstern ist.
  • Mangelnde Kontrolle: Es ist unmöglich vorherzusagen, wie über den eigenen Fall berichtet wird, wie intensiv und ob überhaupt. Manchmal wird aufgrund aktuellerer Ereignissen nur wenig berichtet.
  • Fotografien: Denken Sie daran, dass jedes Foto Ihrer Angehörigen, das Sie den Medien zur Verfügung stellen, immer wieder in der Berichterstattung verwendet wird, auch noch Monate und Jahre später. Wenn die Medien ein Foto nicht sofort ausfindig machen können, gehen sie zu sozialen Medienräumen und verwenden möglicherweise ein Bild, das sich Ihrer Kontrolle entzieht. Die Medienschaffenden können auch Ihre Wohnung filmen/fotografieren, wenn sie auf der Straße bleiben und nicht Ihr Grundstück betreten.
  • Familienmitglieder: Die Familie unterstützt Sie möglicherweise nicht, wenn Sie sich in den Medien zu Wort melden. Vielleicht fühlen sie sich nicht bereit, die Öffentlichkeit in ihren Trauerprozess einzubeziehen. Auch Familienmitglieder möchten möglicherweise nicht, dass bestimmte Informationen veröffentlicht werden. Die Opfer sollten auch an andere Familienmitglieder und insbesondere an Kinder und Jugendliche denken, die jetzt und in Zukunft von Medienberichten betroffen sein könnten.
  • Enttäuschung über die Medien: Unmittelbar nach einer Straftat sind die Medien ständig präsent, und die Geschichte des Opfers steht in den Schlagzeilen. Irgendwann beginnen andere Nachrichten Vorrang zu haben, und die Opfer können sich verlassen und allein fühlen.
  • Aggressive Berichterstattung: Reporter können unmittelbar nach der Straftat, bei Beerdigungen, Gerichtsverhandlungen, Verurteilungen und Jahrestagen Interviews suchen. Sie können Sie anrufen oder per E-Mail kontaktieren, Sie in der Öffentlichkeit ansprechen, Sie über soziale Medien finden oder Sie zu Hause oder am Arbeitsplatz besuchen.
  • "Eigenleben" veröffentlichter Informationen: Wenn Sie Erklärungen an die Medien abgeben, können Ihre Informationen an vielen Orten veröffentlicht werden. Sie sollten damit rechnen, dass die von Ihnen veröffentlichten Informationen in Zeitungen/Magazinen abgedruckt, im Fernsehen und Radio besprochen, in Blogs, auf Facebook, Twitter und überall im Internet erwähnt werden. In Kommentaren können sich fremde Menschen zu Ihrer Geschichte äussern. Einmal öffentlich gemacht, ist es sehr schwierig, die Informationen zurückzunehmen oder zu löschen.